Prävention sexualisierter Gewalt im Sport

In Baden-Württemberg sind ca. 60% der Kinder und Jugendlichen bis einschließlich 18 Jahre in Sportvereinen angemeldet. Trainer*innen, Übungs- und Jugendleiter*innen stehen daher in der Verantwortung, den anvertrauten Kindern und Jugendlichen ein sicheres und vertrauenswürdiges Umfeld zu bieten. Immer wieder wird von Fällen der Kindeswohlgefährdung und sexueller Übergriffe berichtet. Daher ist es wichtig, für dieses Thema sensibilisiert zu sein und eine klare Haltung gegen jegliche Form von Gewalt zu vertreten.
Einen präventiven Ansatz, um sexualisierter Gewalt im Sportverein keinen Raum zu geben, gilt es zu verfolgen. Doch was ist denn eigentlich sexualisierte Gewalt? Wie kann ich in meinem Verein das sensible Thema sexualisierte Gewalt angehen und präventiv arbeiten?

Kindeswohlgefährdung

Wird das Wohl der Kinder nicht berücksichtigt, besteht die Gefahr der Kindeswohlgefährdung. Der Verein und seine Mitarbeitenden im Kinder- und Jugendsport haben die stellvertretende Personensorge (Garantenstellung) und tragen damit die Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen, die sie betreuen.

Kindeswohlgefährdung umfasst Kindesmisshandlung (körperliche und psychische Misshandlung), sexuellen Missbrauch und Vernachlässigung (unterlassene Fürsorge und unterlassene Beaufsichtigung z.B. Herabsetzung, Entwertung, Beschimpfung etc.) unterteilt.

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist ein weitreichender Begriff. Er umfasst sexualisierte Handlungen mit und ohne Körperkontakt, die gegen die (nicht nur gesetzliche) Selbstbestimmung verstoßen und/oder gegen den Willen der Person vollzogen werden. Dabei unterscheiden wir drei Stufen.

Grenzverletzungen

Grenzverletzungen sind Handlungen oder Verhaltensweisen, bei der unabsichtlich eine Grenze des Gegenübers überschritten wird. Dabei gelten als Maßstab nicht nur objektive Faktoren, sondern auch die subjektive Wahrnehmung des Betroffenen. Grenzverletzungen können passieren und sind nicht immer zu vermeiden. Angemessen ist dabei, diese Grenzverletzung zu bemerken, sich ggf. dafür zu entschuldigen und diese zukünftig zu vermeiden. Beispiele: Unbeabsichtigte Berührung beim Spiel, Kränkung durch eine als verletzend erlebte Bemerkung.

 

Übergriffe

Ein Übergriff ist ein grenzverletzendes Verhalten, das trotz Ermahnung, Protest oder Hinweise Dritter absichtlich nicht korrigiert wird oder sogar wiederholt auftritt. Dabei werden die Reaktionen der Betroffenen nicht beachtet oder übergangen. Das Verhalten passiert nicht unabsichtlich und zeigt respektlosen Umgang mit dem Gegenüber. Z.T. ist dies eine Vorstufe oder die gezielte Vorbereitung (Desensibilisierung) eines sexuellen Missbrauchs sein. Beispiele: häufige, anzügliche oder sexistische Bemerkungen, gezielte oder wiederholte, zu (intime) körperliche Berührungen.

 

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

Sexuelle Kontakte mit/vor Kindern/Jugendlichen mit und ohne Körperkontakt. Diese sind im Strafgesetzbuch verzeichnet. Es gibt keine Verpflichtung eine Strafanzeige zu stellen. Eine Strafanzeige sollte nur nach einer ausführlichen Beratung bei einer Fachberatungsstelle gestellt werden.
Als Dachorganisation der Jugendarbeit im Sport in Nordbaden, sowie als Träger der freien Jugendhilfe, tragen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedsvereinen die Verantwortung für etwa 300.000 Mitglieder. Der Sportverein sollte ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche sein, in dem sie sich entsprechend ihres Alters ohne Ängste entwickeln können.

 

Potenzialanalyse

Eine individuell auf den Sportverein angepasste Potenzialanalyse hilft spezifische Situationen, Begebenheiten und Besonderheiten einzuordnen. Dabei ist es von enormer Bedeutung die Vorgänge sowie Strukturen zu betrachten und mögliche Optimierungspotenziale zu erkennen.

Prävention

Um Kindern und Jugendlichen ein sicheres Umfeld bieten zu können, müssen wir dafür Sorge tragen, dass potenzielle Täter*innen erst gar nicht in diesen Schutzraum eindringen können.
Es geht darum, für das Thema zu sensibilisieren und bewusst zu machen, dass es auch in Vereinen zu Vorfällen kommen kann. Kein Verein kann eine Garantie für Sicherheit aussprechen, es können jedoch Maßnahmen ergriffen werden, die das Risiko einschränken.

Potenzielle Täter*innen suchen gezielt Gelegenheiten möglichst unauffällig Kontakte zu Kindern aufzubauen. Daher bieten sich besonders diejenigen Vereine an, die das Thema tabuisieren.

Auch wenn das zum Teil eine große Hürde darstellt, gibt es unterschiedliche Bausteine, die die Erstellung eines Schutzkonzepts erleichtern. Nicht alle Bausteine können und müssen in jedem Verein zum Einsatz kommen. Hier ist die individuelle Passform gefragt. Allerdings sollte jeder Verein Bausteine in den Ebenen Vorstandschaft, betreuende Personen sowie Eltern und Kinder setzen. 

Mögliche Präventionsbausteine:

  • Positionierung (Satzung, Leitbild, Konsequenzen bei Fehlverhalten)

  • Thematisierung bei Mitarbeiter*innen (Sensibilisierung)
  • Vertrauens- bzw. Ansprechpersonen benennen
  • Weiterbildung der Ansprechpersonen
  • Einsehen des erweiterten Führungszeugnisses
  • Ehrenkodex
  • Elternarbeit
  • Verhaltenskodex für Mitarbeitende
  • Kinder und Jugendliche stärken
  • Verhaltensregeln mit Kindern festlegen

Als ersten Einstieg in die präventive Arbeit kann unsere Broschüre für Trainer*innen und Betreuer*innen bzw. für Vereinsverantwortliche dienen.